Als wir der Sonne hinteher jagten

Everything is related to you. Even the sunset.

Alles erinnert mich an dich, ist mir dir verbunden. Sogar der Sonnenuntergang.

Eben habe ich einen wunderschönen Sonnenuntergang vom Fenster aus gesehen. Und sofort musste ich an dich denken. Und daran, wie einsam ich mich durch den Anblick auf einmal fühle. Weißt du noch, als wir in E. die Sonnenuntergänge gejagt haben? Daran musste ich denken. Wie viel wir dabei gelacht haben. Wie ausgelassen wir waren. Dabei waren wir das nicht einmal, zumindest ich nicht. Ich hatte zu dem Zeitpunkt meistens Unruhezustände und Ängste. Aber mit dir waren sie erträglicher, manchmal auch vergessen.

Oft setzte die Unruhe am späten Nachmittag/frühen Abend ein. Du hast dann vorgeschlagen, dass wir eine Runde mit dem Auto fahren sollten. Das half mir oft. Wir fuhren dann durch die Straßen, ich auf dem Beifahrersitz, meistens immer dieselben Wege, ich mag Gewohntes. Wir unterhielten uns über schöne Dinge, um mich abzulenken. Über Urlaube, die wir gemacht haben, über welche, die wir planten, über Bücher, die ich schrieb und schreiben wollte, wir planten Filmabende, Besuche im Tierpark oder Ausflüge an den Strand, sobald es wärmer werden würde. Wir hatten so viele Möglichkeiten. Und manchmal, wenn der Tag sonnig war, zeichnete sich ein wunderschöner Sonnenuntergang am Himmel ab. Aber durch die vielen Gebäude war der natürlich schlecht zu sehen in der Stadt, und ich wollte ihn gerne ganz sehen, und Fotos machen. Ich erwähnte, wie romantisch so etwas war, dabei bin ich gar nicht romantisch und wir beiden wussten das. Aber das Wort habe ich trotzdem so oft benutzt. Also jagten wir dem Sonnenuntergang nach, am Deich entlang, dort wo man ihn am besten sehen konnte. Wir hielten immer an derselben Stelle am Deich. Mitten im Nirgendwo, nur Wiesen, Felder und Schafe. Ich kletterte über das Gatter und einmal war es sehr beschwerlich, den Deich hochzukommen, weil ich ziemlich unfit war und der Boden durch vorangegangenen Regen uneben und rutschig. Du bliebst im Auto sitzen, hast mich angefeuert, woraufhin ich lachen musste, und froh, war, dass wir allein waren. Wir zwei Bekloppten. Ich rutschte immer wieder runter, keuchte und rief, dass ich unbedingt von oben ein Bild machen wollte, aber nicht hochkam. Das Autofenster war unten, du hast die Musikanlage aufgedreht und Atemlos – durch die Nacht ertönte so laut, dass ich noch mehr lachen musste. Ich hasste das Lied! Aber es passte so gut, denn ich war wirklich atemlos, als ich oben ankam. Und ich habe Bilder gemacht, aber die waren eigentlich unwichtig. Wichtig waren wir zwei. Wieder einmal haben wir es meiner Angst gezeigt. Sie für einen Moment verdrängt, ihr gezeigt, dass es noch anderes als sie gibt. Ich war froh, als ich wieder im Auto saß, denn war es frisch und windig. Bin den Deich mehr hinunter geschliddert als hinuntergegangen. Du hast – wie immer – die Sitzheizung längst angemacht. Sooo lieb, sagte ich. Ich Frostbeule. Wir lachten und jagten in den folgenden Wochen noch öfter den Sonnenuntergang. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir das nie wieder tun können. Dass jeder Sonnenuntergang nun ein kleiner Stich in mein Herz bedeutet, mich daran erinnert, wie viel wir verloren haben und was man uns genommen hat. Du warst das Beste, das mir passiert ist. Es gibt keine Perfektion, aber für mich warst du perfekt und wirst es immer bleiben.

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